17.07.2015

Billige Tricks der Staatsanwaltschaft Braunschweig!

Ein Mandant sieht sich einem Verfahren wegen eines Verstosses gegen das VereinsG ausgesetzt. Richtig geraten: es geht um eine Kutte.
Nun sollte man ja denken, dass seit dem BGH-Urteil alles klar und die Einstellung nach § 170 II StPO eine Formsache ist. Weit gefehlt!
Mir trudelt nun die Einstellung nach § 154d StPO auf den Tisch. Da mir auch nach heftigem Überlegen keine zu klärende zivil- oder verwaltungsrechtliche Vorfrage eingefallen ist, bekommt die StA nun dieses Schreiben von mir:
"In dem Verfahren
...
nehme ich Bezug auf die mir jetzt erst zugegangene Nachricht, dass das Verfahren gem. § 154d StPO eingestellt wurde und bitte um Mitteilung, von welcher zu klärenden bürgerlich-rechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Vorfrage die Einstellung abhing. Eine solche Vorfrage ist hier nicht einmal ansatzweise ersichtlich.
Offensichtlich soll hier die lupenreine Einstellung gem. § 170 II StPO vermieden werden, die angesichts der nunmehr klaren Rechtslage zwingend angezeigt ist.
Namens und in Vollmacht meines Mandanten lege ich hiermit gegen die Vorgehensweise in diesem Verfahren 
DIENSTAUFSICHTSBESCHWERDE
ein und erwarte eine sachgerechte Bearbeitung des Verfahrens.
Mein Mandant ist nicht gewillt, sich von der Staatsanwaltschaft, und sei es auch nur durch die Hintertür, weiterhin pönalisieren zu lassen und den Anschein zu dulden, dass sein Verhalten doch „ein wenig strafbar“ gewesen sein könnte und nur durch die Großzügigkeit der Staatsanwaltschaft aus Opportunitätsgründen nicht weiter verfolgt wird.
Ich habe mir für den Eingang der Stellungnahme eine Wiedervorlage bis zum 31.07.2015 notiert."
Das wollen wir doch mal sehen!

Bernd Eickelberg Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Von-Eltz-Str. 12 30938 Burgwedel www.anwalt-burgwedel.de --- JuraBlogs - Die Welt juristischer Blogs

10.07.2015

Rundfunkbeiträge sind vollstreckbar!

Bundesgerichtshof zur Vollstreckung von Rundfunkbeiträgen


Beschluss vom 11. Juni 2015 - I ZB 64/14  

Der unter anderem für Rechtsbeschwerden in Zwangsvollstreckungssachen zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat einen Beschluss des Landgerichts Tübingen aufgehoben, das die von einem Gerichtsvollzieher angeordnete Eintragung eines Schuldners in das Schuldnerverzeichnis im Rahmen der Zwangsvollstreckung von Rundfunkbeiträgen abgelehnt hatte. 

Der Gläubiger, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, ist die unter der Bezeichnung "Südwestrundfunk" tätige Landesrundfunkanstalt in den Bundesländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Er betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Rundfunkgebühren und -beiträge. Auf der Grundlage eines vom Gläubiger beim Amtsgericht eingereichten Vollstreckungsersuchens erließ der Gerichtsvollzieher die Anordnung zur Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis (§ 882c ZPO). Den dagegen gerichteten Widerspruch des Schuldners wies das Amtsgericht Nagold zurück. Das Landgericht Tübingen dagegen hob die Eintragungsanordnung des Gerichtsvollziehers wegen formeller Mängel des Vollstreckungsersuchens auf. Der Gläubiger und die Vollstreckungsbehörde seien nicht erkennbar bezeichnet. Zudem fehlten ein Dienstsiegel und die Unterschrift des Behördenleiters oder seines Beauftragten. Diese Angaben seien nicht entbehrlich. Es sei nicht ersichtlich, dass das Ersuchen mit Hilfe automatischer Einrichtungen erstellt worden sei. Im Vollstreckungsersuchen sei außerdem die Bezeichnung des zu vollstreckenden Verwaltungsakts unzureichend.  

Der Bundesgerichtshof hat den Beschluss des Landgerichts Tübingen auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers aufgehoben. Es besteht kein Zweifel, dass allein der im Vollstreckungsersuchen aufgeführte Südwestrundfunk und nicht der ebenfalls aufgeführte "Beitragsservice" (früher: GEZ) Gläubiger der Rundfunkgebühren und -beiträge ist. Aus § 10 Abs. 1 und Abs. 7 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages vom 17. Dezember 2010 (RBStV) ergibt sich, dass im Streitfall allein der Gläubiger als Landesrundfunkanstalt im Hinblick auf die Geltendmachung und Vollstreckung der Beitragsforderungen partei- und prozessfähig ist und der Beitragsservice den Landesrundfunkanstalten, dem ZDF und dem Deutschlandradio lediglich als eine örtlich ausgelagerte gemeinsame Inkassostelle dient. Das Vollstreckungsersuchen des Gläubigers entsprach auch den gesetzlichen Anforderungen für die Vollstreckung von Rundfunkgebührenbescheiden. Es war nicht erforderlich, dass der Südwestrundfunk in dem Ersuchen ausdrücklich als Gläubiger oder Vollstreckungsbehörde bezeichnet war und Angaben zur Anschrift, Rechtsform und zu den Vertretungsverhältnissen gemacht wurden. Das Vollstreckungsersuchen bedurfte zudem weder einer Unterschrift des Behördenleiters oder seines Beauftragten noch eines Dienstsiegels, weil es zweifelsfrei mit Hilfe automatischer Einrichtungen erstellt worden war, bei denen diese Angaben entbehrlich sind. In dem Vollstreckungsersuchen waren schließlich die zu vollstreckenden Gebühren- und Beitragsbescheide angegeben. Dagegen bedurfte es keines die grundsätzliche Beitragspflicht des Schuldners feststellenden Verwaltungsakts. Ein solcher allgemeiner Bescheid ist neben den Gebühren- und Beitragsbescheiden über die Höhe der jeweiligen Leistungsverpflichtungen weder gesetzlich vorgesehen noch für die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich. 

AG Nagold – Beschluss vom 6 März 2014 – 4 M 193/14 

LG Tübingen – Beschluss vom 19. Mai 2014 – 5 T 81/14 (juris) 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 10. Juli 2015)

Bernd Eickelberg Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Von-Eltz-Str. 12 30938 Burgwedel www.anwalt-burgwedel.de --- JuraBlogs - Die Welt juristischer Blogs

09.07.2015

Die Kutten können wieder unbesorgt getragen werden!

Das Tragen von "Rocker-Kutten", auf denen gleichzeitig Kennzeichen des Motorrad-Clubs und die Ortsbezeichnung eines nicht verbotenen "Chapters" angebracht sind, ist nicht strafbar


Urteil vom 9. Juli 2015 - 3 StR 33/15 

Das Landgericht Bochum hat die Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen, durch das Tragen von Lederwesten mit den Abzeichen der weltweit agierenden Rockergruppierung "Bandidos" Kennzeichen eines verbotenen Vereins öffentlich verwendet zu haben. Die dagegen von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom heutigen Tage verworfen. 

Nach den Feststellungen des Landgerichts sind die Angeklagten Mitglieder örtlicher "Chapter" in Unna und Bochum des weltweit auftretenden Motorrad-Clubs "Bandidos". Zwei andere Ortsgruppen in Deutschland, die "Chapter" Aachen und Neumünster, sind durch Verfügungen der zuständigen Innenministerien verboten, wobei das Verbot des "Chapters" Aachen noch nicht rechtskräftig ist. Das Auftreten der "Bandidos" wird wesentlich auch durch das gemeinsame Tragen von Lederwesten, sog. Kutten, bestimmt, deren Gestaltung sich weltweit im Wesentlichen einheitlich darstellt: Unterhalb des Schriftzugs "Bandidos" (sog. Top-Rocker) befindet sich als Mittelemblem die Figur eines mit einem Sombrero und einem Poncho bekleideten, mit einer Machete und einem Revolver bewaffneten Mexikaners (sog. Fat Mexican). Darunter steht ein weiterer Schriftzug (sog. Bottom-Rocker), der in Deutschland entweder auf die nationale Hauptgruppe "Germany" verweist, oder die Bezeichnung der jeweiligen Ortsgruppe enthält. 

Die Angeklagten begaben sich am 1. August 2014 in Begleitung ihrer Verteidiger zum Polizeipräsidium Bochum. Sie trugen jeder eine Weste, auf der sich als Mittelabzeichen der "Fat Mexican" und darüber der beschriebene Aufnäher mit dem Schriftzug "Bandidos" befanden. Jeweils als untere Abgrenzung waren Aufnäher mit den Ortsbezeichnungen ihrer "Chapter" Unna und Bochum angebracht.  

Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, dass sich die Angeklagten hierdurch nicht gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5; § 9 Abs. 1 VereinsG strafbar gemacht hätten. Es sei nicht auf eine verbotene Ortsgruppe hingewiesen worden. Das mit den unterschiedlichen "Bottom-Rockern" zusammengesetzte Kennzeichen sei mit dem der verbotenen Vereine in Aachen und Neumünster auch nicht zum Verwechseln ähnlich. Schließlich könne auch nicht festgestellt werden, dass die Ortsgruppen der Angeklagten die Ziele der beiden verbotenen "Chapter" geteilt hätten. 

Der Bundesgerichtshof hat den Freispruch im Ergebnis bestätigt. Die Angeklagten hatten auf ihren Kutten mit dem stilistisch einheitlich gestalteten "Bandidos"-Schriftzug und dem "Fat Mexican" zwar Kennzeichen auch des verbotenen "Chapters" Neumünster angebracht. Darin allein liegt indes, wie der Bundesgerichtshof bereits in ähnlicher Konstellation zu § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) entschieden hat, dann kein tatbestandsmäßiges Verwenden der Kennzeichen, wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass der Schutzzweck der Norm im konkreten Fall nicht berührt wird. So verhält es sich hier: Aus dem jeweiligen Ortszusatz ergibt sich eindeutig, dass die Angeklagten den "Bandidos"-Schriftzug und den "Fat Mexican" nicht als Kennzeichen des verbotenen "Chapters", sondern als solche ihrer jeweiligen, nicht mit einer Verbotsverfügung belegten Ortsgruppen trugen und damit gerade nicht gegen den Schutzzweck des - auf die jeweiligen Ortsgruppen beschränkten - Vereinsverbots verstießen.  

Eine Strafbarkeit wegen Tragens von Kennzeichen eines verbotenen Vereins, die in im Wesentlichen gleicher Form von einem - nicht verbotenen - Schwesterverein verwendet wird (§ 9 Abs. 3 VereinsG), hat der Senat aus Rechtsgründen ausgeschlossen, weil der Gesetzgeber diese Regelung nicht in die Strafvorschrift des Vereinsgesetzes einbezogen hat.  

Im Jahr 2003 hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 9 Abs. 3 in das Vereinsgesetz eingeführt, um "klarzustellen", dass die Hinzufügung eines Ortszusatzes zur Abgrenzung von dem verbotenen Verein nicht ausreichen solle, wenn der Schwesterverein dessen Zielrichtung teile. Diese Regelung betrifft jedoch unmittelbar nur das polizeirechtliche Kennzeichenverbot des § 9 VereinsG. Die hier anzuwendende Strafnorm des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG enthält jedoch keinen ausdrücklichen Bezug auf § 9 Abs. 3 VereinsG, sondern (in § 20 Abs. 1 Satz 2 VereinsG) lediglich auf dessen Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2. Eine Verurteilung der Angeklagten ohne eine ausdrückliche Einbeziehung von § 9 Abs. 3 VereinsG in die Strafvorschrift des § 20 Abs. 1 VereinsG durch den Gesetzgeber verstieße aber gegen den verfassungsrechtlich abgesicherten Grundsatz "Keine Strafe ohne Gesetz" (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB). 

Dies bedeutet, dass das Tragen einer Kutte mit den von allen "Chaptern" der "Bandidos" benutzten Kennzeichen ("Bandidos"-Schriftzug und "Fat Mexican") zusammen mit dem Ortszusatz eines nicht verbotenen "Chapters" unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 3 VereinsG nach derzeitiger Rechtslage zwar polizeirechtlich verboten sein kann, nicht aber strafbar ist. 

LG Bochum - Urteil vom 28. Oktober 2014 - II- 6 KLs - 47 Js 176/14 - 4/14 

Karlsruhe, den 9. Juli 2015 

§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 2 VereinsG: 

Wer im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit 

… 

5.Kennzeichen einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Vereine oder Parteien oder eines von einem Betätigungsverbot nach § 15 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 3 Satz 1 betroffenen Vereins während der Vollziehbarkeit des Verbots oder der Feststellung verbreitet oder öffentlich oder in einer Versammlung verwendet, 

wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ 84, 85, 86a oder den §§ 129 bis 129b des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist. In den Fällen der Nummer 5 gilt § 9 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 entsprechend.  

§ 9 VereinsG: 

(1) Kennzeichen des verbotenen Vereins dürfen für die Dauer der Vollziehbarkeit des Verbots nicht mehr  

1. öffentlich, in einer Versammlung oder 

2.in Schriften, Ton- oder Bildträgern, Abbildungen oder Darstellungen, die verbreitet werden oder zur Verbreitung bestimmt sind, 

verwendet werden. Ausgenommen ist eine Verwendung von Kennzeichen im Rahmen der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen und ähnlicher Zwecke. 

(2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind insbesondere Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sehen. 

(3) Absatz 1 gilt entsprechend für Kennzeichen eines verbotenen Vereins, die in im Wesentlichen gleicher Form von anderen nicht verbotenen Teilorganisationen oder von selbständigen, die Zielrichtung des verbotenen Vereins teilenden Vereinen verwendet werden. 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 09.07.2015)

Bernd Eickelberg Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Von-Eltz-Str. 12 30938 Burgwedel www.anwalt-burgwedel.de --- JuraBlogs - Die Welt juristischer Blogs

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