29.01.2014

Der BGH meint: Richter müssen sich schon entscheiden, weswegen sie verurteilen!

Es gibt im Strafrecht das Institut der sogenannten "Wahlfeststellung". Wenn also nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts offen bleibt, welchen Tatbestand die Handlung des Angeklagten nun genau erfüllt hat, dann kann es wahlweise nach beiden Normen verurteilen.

Der 2. Senat des BGH hält diese Vorgehensweise für verfassungswidrig:

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revision eines Angeklagten, der vom Landgericht Meiningen "wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei" in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden war, die Verhandlung unterbrochen und bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob sie sich seiner Rechtsansicht anschließen, wonach die so genannte "ungleichartige Wahlfeststellung" gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit von Strafgesetzen (Art. 103 Absatz 2 Grundgesetz) verstößt.  

Bei der "ungleichartigen Wahlfeststellung" handelt es sich um eine in engen Grenzen bereits vom Reichsgericht anerkannte, auf richterlicher Rechtsfortbildung beruhende Rechtsfigur. Danach kann ein Beschuldigter "wahlweise", also wegen Verstoßes entweder gegen das eine oder gegen das andere Strafgesetz verurteilt werden, wenn nach Durchführung der Beweisaufnahme offen bleibt, welchen von beiden Tatbeständen er verwirklicht hat, und die Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass  keiner von beiden erfüllt wurde. Entwickelt wurde diese Verurteilungsmöglichkeit ursprünglich für Fälle, in denen ungeklärt bleibt, ob ein Beschuldigter, bei dem gestohlene Sachen gefunden werden, diese selbst gestohlen (Diebstahl) oder von dem Dieb erworben hat (Hehlerei); beide Tatbestände schließen sich aus. Nach bisher ständiger Rechtsprechung auch des Bundesgerichtshofs kann aber eine "wahlweise" Verurteilung erfolgen, da beide Taten "rechtsethisch und psychologisch vergleichbar" seien. Im Laufe der Jahre wurde die Figur der ungleichartigen Wahlfeststellung – unter dieser Voraussetzung – auf zahlreiche andere Tatbestandspaare ausgedehnt.  

Eine "wahlweise Verurteilung" steht in einem Spannungsverhältnis zu der Verfassungsgarantie des Art. 103 Absatz 2 Grundgesetz, wonach der Schuldspruch wegen einer Straftat auf den Verstoß gegen ein "bestimmtes" Gesetz gestützt sein muss. Eine "Analogie" zu Lasten des Beschuldigten, also eine Verurteilung wegen eines nur "ähnlichen" Verstoßes, ist unzulässig. Eine zwischenzeitliche gesetzliche Regelung wurde 1946 aufgehoben.  

Der 2. Strafsenat vertritt die Auffassung, dass die Wahlfeststellung auch in der reduzierten Form, in welcher sie seit 1950 vom Bundesgerichtshof wieder als zulässig angesehen wurde, gegen Art. 103 Absatz 2 Grundgesetz verstößt, weil es sich nicht nur um eine prozessuale Entscheidungsregel, sondern um eine sachlich-rechtliche Strafbarkeitsregel handele, die dem Gesetzesvorbehalt unterliege. Er hat deshalb gemäß § 132 Absatz 3 Gerichtsverfassungsgesetz bei den übrigen Strafsenaten angefragt, ob sie sich dieser Rechtsansicht anschließen oder an ihrer bisherigen, entgegenstehenden Rechtsprechung festhalten. Im letzteren Fäll könnte der anfragende Senat, wenn er an seiner Ansicht festhalten will, die Sache dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung vorlegen.  

Beschluss vom 28. Januar 2014 – 2 StR 495/12 

Landgericht Meiningen - 110 Js 19 545/12 - 1 KLs – Entscheidung vom 30. Mai 2012 

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2014)

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23.01.2014

"Hat der Richter nicht verfügt...."

...bekam ich in entwaffnender Offenheit von der netten Dame aus der Geschäftsstelle eines Landgerichts zu hören. Sie will ihm den Vorgang aber sofort vorlegen.

Ich soll für einen Mandanten ein Urteil, mit dem er zu einer langen Haftstrafe verurteilt wurde, in der Revisionsinstanz zu Fall bringen. Habe mich also legitimiert, Revision eingelegt und mit der Zustellung des Urteils um vollständige Akteneinsicht gebeten.

Das Urteil kommt, die Akte nicht. Da die Frist für die Begründung nun aber läuft und auch nicht verlängert werden kann, eilt es etwas. Ob sich der Richter nun bald zu der Verfügung hinreißen lässt?

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KRAVAG? Beratungsresistent!

Ich wickele für eine Mandantin einen Verkehrsunfall ab, der Schaden beläuft sich auf einen ordentlichen vierstelligen Betrag. Im Zuge der Regulierung wurde ein Reparaturnachweis des Sachverständigen  beigebracht, um im Rahmen der fiktiven Abrechnung den vollen Nettoschaden zu erhalten.

Die Kosten für diesen Reparaturnachweis betrugen weniger als 1% des bereits regulierten Schadens. Gleichwohl schaltet die KRAVAG auf stur: Reparaturnachweis haben wir nicht verlangt, also zahlen wir den auch nicht.

Nun gibt es hier eine interessante Zusammenstellung von Urteilen, wonach die Kosten gleichwohl zu erstatten sind. Diese Liste habe ich denen freundlich gefaxt. Es kam die schnöde Antwort, dass "bzgl. der Kosten für die Reparaturbestätigung auf den bisherigen Schriftwechsel verwiesen wird."

Mal sehen, ob Captain HUK bald die 37. Entscheidung für seine Liste bekommt...

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08.01.2014

Die Meinung des Polizisten

Gegen meinen Mandanten wurde Haftbefehl erlassen. Nach Durchsicht der Ermittlungsakte und Rücksprache formulierte ich eine Haftbeschwerde, die u. a. auf Widersprüche in den Aussagen der angeblichen Geschädigten mit tatsächlichen Spuren gestützt war.

Das Landgericht hat die Beschwerde verworfen. Zwar seien tatsächlich Widersprüche erkennbar, da habe der Verteidiger schon richtig gelegen. Allerdings hatte der zuständige Polizeibeamte nicht
den Eindruck, dass die Tathandlungen als erdacht zu werten sind.


Dagegen kommen natürlich keine objektiven Spuren an.

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07.01.2014

Nun geht das hier auch so los...

Der Kollege Carsten Hoenig hatte hier über eine umfangreiche Akteneinsicht berichtet. Das bedeutet eine Menge Arbeit für das Büropersonal.

Soeben erreichte mich ein Anruf der Wachtmeisterei meines Heimatgerichts. Die Akten in einem Verfahren lägen zur Abholung bereit, ich solle am besten mit dem Auto vorbeikommen...

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