21.11.2012

So leicht kommen Versicherer nicht davon!

Der Bundesgerichtshof hat interessante und auch wichtige Ausführungen dazu gemacht, wann der Versicherungsschutz der Kaskoversicherung auch bei der sog. Unfallflucht erhalten bleibt. Die Versicherer und die Untergerichte hatten sich auf den Standpunkt gestellt, dass eine Unfallflucht stets eine Obliegenheitspflichtverletzung bedeutet, die zum Verlust des Versicherungsschutzes führt.
 
Nach der Ansicht des BGH gilt aber: wer sich nach einem Unfall unerlaubt vom Unfallort entfernt, den Schaden jedoch unverzüglich dem Versicherer oder dessen Agenten mitteilt, hat dem Aufklärungsinteresse des Versicherers in ausreichender Weise genügt.
 
Lassen Sie sich also umgehend anwaltlich beraten, wenn Ihnen ein Versicher die Leistung verweigert!
 
Hier die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 21.11.2012:
 
Bundesgerichtshof entscheidet über Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten gegenüber demKaskoversicherer in den Fällen unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 Abs. 2 StGB
 
 
Der für das Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat hat entschieden, dass ein Verstoß gegen § 142 Abs. 2 StGB (nicht unverzügliche Ermöglichung nachträglicher Feststellungen nach zunächst erlaubtem Entfernen vom Unfallort) nicht in jedem Falle zugleich eine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheit gegenüber dem Fahrzeugversicherer beinhaltet, die zu dessen Leistungsfreiheit führt.
 
In dem entschiedenen Fall erlitt der Kläger mit seinem bei der Beklagten kaskoversicherten Fahrzeug gegen 1 Uhr morgens einen Unfall, als er – nach seiner Behauptung bei einem Ausweichmanöver wegen auf der Straße stehender Rehe – auf einer Landstraße in einer Rechtskurve nach links von der Fahrbahn abkam und mit dem Fahrzeugheck gegen einen Baum prallte, der ebenso wie sein Fahrzeug beschädigt wurde. Nach dem Unfall verständigte er den ADAC, der das Fahrzeug abschleppte, und ließ sich von einem herbeigerufenen Bekannten an der Unfallstelle abholen. Die Polizei und den Geschädigten (das zuständige Straßenbauamt) verständigte er nicht. Ein gegen ihn eingeleitetes Verfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde später eingestellt.
 
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Regulierung des Schadens an seinem Fahrzeug. Er behauptet, ihr den Schaden unverzüglich angezeigt zu haben. Die Beklagte lehnte die Regulierung wegen der Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten (hier E.1.3. AKB 2008) durch unerlaubtes Entfernen vom Unfallort ab. Mit seiner Klage verlangt der Kläger den Ersatz des auf rund 27.000 € bezifferten Schadens.
 
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass die Aufklärungsobliegenheit stets verletzt sei, wenn der Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort verwirklicht werde. Das gelte auch in den Fällen des § 142 Abs. 2 StGB, gegen den der Kläger verstoßen habe.
 
Der Bundesgerichtshof hat einen solchen Automatismus verneint. Er hat entschieden, dass dem Aufklärungsinteresse des Versicherers trotz eines Verstoßes gegen § 142 Abs. 2 StGB dann in ausreichender Weise genügt ist, wenn der Versicherungsnehmer zu dem Zeitpunkt, in dem eine nachträgliche Information des Geschädigten noch "unverzüglich" im Sinne von § 142 Abs. 2 StGB gewesen wäre und eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift vermieden hätte, zwar nicht den Geschädigten, aber unmittelbar seinen Versicherer oder dessen Agenten informiert hat. Dies hatte der Kläger behauptet. Der Bundesgerichtshof hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur Aufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
 
Urteil vom 21. November 2012 - IV ZR 97/11
 
Oberlandesgericht Dresden – Urteil vom 6. April 2011 – 7 U 1310/10
 
Landgericht Bautzen – Urteil vom 19. Juli 2010 – 3 O 466/09
 
Karlsruhe, den 21. November 2012
 
§ 142 StGB (Auszug)
 
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort
 
(1) Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er
 
1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, daß er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder
 
2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne daß jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen,
 
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
 
(2) Nach Absatz 1 wird auch ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich
 
1. nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder
 
2. berechtigt oder entschuldigt
 
vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.
 
(3) Der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, daß er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält. Dies gilt nicht, wenn er durch sein Verhalten die Feststellungen absichtlich vereitelt.
 
...
 
E.1.3 AKB 2008
 
Sie sind verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadenereignisses dienen kann. Dies bedeutet insbesondere, dass Sie unsere Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses wahrheitsgemäß und vollständig beantworten müssen und den Unfallort nicht verlassen dürfen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.
 

 
E.6.1 AKB 2008
 
Verletzen Sie vorsätzlich eine Ihrer in E.1 bis E.5 geregelten Pflichten, haben Sie keinen Versicherungsschutz. …




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13.11.2012

Nachträgliche Aufhebung der Prozesskostenhilfe bei unwahren Angaben

Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass gewährte PKH dann entzogen werden kann, wenn im Bewilligungsverfahren absichtlich oder grob fahrlässig unwahre Angaben wurden. Dies gilt auch dann, wenn im Bewilligungszeitpunkt wegen veränderter Einkommensverhältnisse PKH zu bewilligen gewesen wäre.
 
Die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 13.11.2012:
 
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 124 Nr. 2, Alternative 1 ZPO nachträglich aufgehoben werden kann, wenn der Antragsteller im Bewilligungsverfahren absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über seine persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, und dass dies auch dann gilt, wenn die falschen Angaben nicht zu einer objektiv unrichtigen Bewilligung geführt haben.
 
Dem Beklagten eines Rechtsstreits um die Rückzahlung eines Darlehens war zunächst auf seinen Antrag hin Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Nachträglich stellte sich heraus, dass er bei Antragstellung eine teilweise unrichtige und unvollständige Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben hatte. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hatte er absichtlich versucht, seine wirtschaftliche Situation, insbesondere in Bezug auf seine Geschäftsführerstellung und Beteiligung an einer GmbH, ferner die Nutzung eines Firmenwagens, zu verschleiern.
 
Infolge dessen hob das Landgericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 124 Nr. 2, Alternative 1 ZPO nachträglich auf. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beklagten vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe blieb erfolglos.
 
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten hat der Bundesgerichtshof die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.
 
Der Beklagte hatte im Beschwerdeverfahren die ursprüngliche Unrichtigkeit seiner Angaben eingeräumt, jedoch geltend gemacht, bis zum Zeitpunkt der Prozesskostenhilfebewilligung hätten sich seine Verhältnisse derart verändert gehabt, dass seine Angaben zuletzt nicht mehr falsch gewesen seien und ihm bei objektiver Betrachtung ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe zugestanden habe. Das stützte sich auf eine bisher weit verbreitete Rechtsauffassung, der zufolge § 124 Nr. 2 ZPO allein bezwecke, dem von einer Prozesskostenhilfebewilligung Begünstigten sachlich nicht gerechtfertigte Vorteile wieder zu entziehen und so eine objektiv zutreffende Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe herbeizuführen. Es handele sich um eine rein kostenrechtliche Bestimmung ohne Sanktionscharakter.
 
Der Bundesgerichtshof ist dem entgegengetreten. Dass die Vorschrift allein schon die absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit gemachten Falschangaben eines Antragstellers sanktioniert, ergeben, wie in der Rechtsbeschwerdeentscheidung näher dargelegt wird, nicht nur Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte des § 124 Nr. 2 Alternative 1 ZPO, sondern auch der Gesetzeszweck.
 
Im Prüfungsverfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe, das unter einem besonderen Beschleunigungsgebot steht, ist der Antragsteller bei der Aufklärung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in besonderem Maße zur Mitwirkung verpflichtet. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnen. Das Gericht ist im Bewilligungsverfahren, welches sich im Interesse des Antragstellers mit einer Glaubhaftmachung der Bewilligungsvoraussetzungen begnügt, in besonderem Maße auf ein redliches Verhalten des Antragstellers angewiesen. Begründet der Antragsteller in vorwerfbarer Weise Zweifel an seiner Redlichkeit, erscheint es angemessen, ihm die nachgesuchte finanzielle Unterstützung zu versagen, weil ein summarisches Prüfungsverfahren dann nicht mehr möglich erscheint.
 
Beschluss vom 10. Oktober 2012 - IV ZB 16/12
 
LG Konstanz – Beschluss vom 17. November 2011 - 5 O 120/10 T
 
OLG Karlsruhe – Beschluss vom 18. April 2012 – 9 W 72/11
 
Karlsruhe, den 13. November 2012
 
§ 124 ZPO
 
Aufhebung der Bewilligung
 
Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn
 
1. die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat;
 
2. die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 nicht abgegeben hat;
 
3. die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind;
 
4. die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.
 

Bernd Eickelberg Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Von-Eltz-Str. 12 30938 Burgwedel www.anwalt-burgwedel.de --- JuraBlogs - Die Welt juristischer Blogs

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