31.05.2012

Es gibt solche und solche Richter

Ein Angeklagter weiß nicht, wie der Richter so tickt und was der sich so als Urteil schon vor Beginn der Verhandlung vorstellt. Wenn er dann noch Pech hat, gerät er an ein einen wie den, der Anlass zu folgender BGH-Entscheidung gegeben hat. Also: NIEMALS ohne Verteidiger in eine Hauptverhandlung gehen!

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 31.05.2012:

Bundesgerichtshof hebt Freispruch eines Proberichters vom Vorwurf der Rechtsbeugung auf


Das Landgericht Kassel hat den Angeklagten, einen am Amtsgericht Eschwege tätigen Richter auf Probe, vom Vorwurf der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Aussageerpressung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts leitete der Angeklagte als Strafrichter eine Hauptverhandlung wegen exhibitionistischer Handlungen, die sich an einen Einspruch des damaligen Beschuldigten anschloss. Schon vor der Hauptverhandlung war er entschlossen, als Rechtsfolge einen Schuldspruch mit Strafvorbehalt auszusprechen und eine Therapieauflage anzuordnen. In der Hauptverhandlung bestritt der damalige Beschuldigte den Tatvorwurf. Der Angeklagte, der möglicherweise annahm, der Strafbefehl sei im Schuldspruch bereits rechtskräftig und der Einspruch auf das Strafmaß beschränkt, wirkte nun nachhaltig und zunehmend erregt und drohend auf den damaligen Beschuldigten ein, um diesen zu einem Geständnis und zur Erklärung zu veranlassen, in eine ambulante Therapie einzuwilligen. Außerdem wollte er erreichen, dass der Beschuldigte nach Urteilsverkündung sogleich auf Rechtsmittel verzichtete. Aufgrund eines Sachverständigengutachtens war ihm bekannt, dass der damals Beschuldigte wegen einer Persönlichkeitsstörung eine schwache und selbstunsichere Person war. Der Angeklagte forderte den Beschuldigten in zunehmend erregter Form auf, ein Geständnis abzulegen. Schließlich unterbrach er unvermittelt die Sitzung, sagte zum damaligen Beschuldigten: "Sie kommen jetzt mit! Ich zeige Ihnen mal, wie Ihre Zukunft aussehen kann.", und begab sich – mit angelegter Robe – mit dem Beschuldigten und einem Wachtmeister in den Keller des Amtsgerichts, wo sich mehrere Gewahrsamszellen befanden.

Er veranlasste den vollständig verunsicherten Beschuldigten, sich in eine Zelle zu begeben, die daraufhin geschlossen wurde. Nach etwa 20 Sekunden wurde die Tür auf Veranlassung des Angeklagten wieder geöffnet. Während dieser Zeit war die Türe von dem Zeugen nicht mehr zu öffnen.

Hiernach setzte der Angeklagte die Hauptverhandlung fort, in der der damalige Beschuldigte nunmehr vollumfänglich geständig war. Der Angeklagte verurteilte ihn daraufhin zu einer Geldstrafe unter Strafvorbehalt, verbunden mit einer Therapieauflage; dies entsprach dem staatsanwaltschaftlichen Antrag. Der immer noch stark eingeschüchterte Beschuldigte und der Staatsanwalt erklärten sogleich Rechtsmittelverzicht.

Das Landgericht hat es zwar als erwiesen angesehen, dass der Angeklagte den damaligen Beschuldigten durch sein prozessordnungswidriges Verhalten zu einem Geständnis habe zwingen wollen. Es hat aber angenommen, dies sei nicht mit der für den Rechtsbeugungsvorsatz erforderlichen Zielrichtung geschehen, dem Zeugen einen unrechtmäßigen prozessualen Nachteil zuzufügen. Denn der Angeklagte sei unwiderlegt davon ausgegangen, nur noch über die Rechtsfolgen der Tat entscheiden zu müssen. Für die Verurteilung sei es daher aus der Sicht des Angeklagten auf das Geständnis nicht mehr angekommen. Wegen der Sperrwirkung des § 339 StGB sei auch eine mögliche Aussageerpressung straflos.

Gegen diesen Freispruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verletzung sachlichen Rechts rügt.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat das Urteil insgesamt mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Der Senat hält die Beweiswürdigung des Landgerichts für nicht ausreichend. Das Landgericht hat sich insbesondere nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Angeklagte durch sein Verhalten auch die Einwilligung in eine Therapieauflage und den Rechtsmittelverzicht herbeiführen wollte. Auch hieraus konnten sich ebenfalls prozessuale Nachteile ergeben. Insoweit ist die Beweiswürdigung nicht erschöpfend und damit rechtsfehlerhaft.

Beschluss vom 31. Mai 2012 – 2 StR 610/11

Landgericht Kassel – Urteil vom 1. September 2011 – 3600 Js 37702/09 5 Kls


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22.05.2012

Entgeltklauseln für die Benachrichtigung des Kunden über die Nichteinlösung einer Einzugsermächtigungslastschrift sind auch auf der Grundlage des neuen Zahlungsdiensterechts unwirksam

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Verbandsklage eines Verbraucherschutzverbandes gegen eine Sparkasse entschieden, dass die Entgeltregelung im letzten Satz der nachfolgenden Klausel im Geschäftsverkehr mit Privatkunden (Verbrauchern) nicht verwendet werden darf, weil sie diese unangemessen benachteiligt und deswegen nach § 307 BGB* unwirksam ist:

"Über die Nichtausführung oder Rückgängigmachung der Belastungsbuchung … oder die Ablehnung der Einlösung einer Einzugsermächtigung … wird die Sparkasse den Kunden unverzüglich unterrichten. … Für die Unterrichtung über eine berechtigte Ablehnung berechnet die Sparkasse das im Preis- und Leistungsverzeichnis ausgewiesene Entgelt."

Das Landgericht hat der Unterlassungsklage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Auf die Revision des klagenden Verbraucherschutzverbandes hat der XI. Zivilsenat das landgerichtliche Urteil wieder hergestellt und zur Begründung ausgeführt:

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die beanstandete Entgeltklausel nicht als eine der Inhaltskontrolle entzogene Preisabrede für eine Sonderleistung der beklagten Sparkasse angesehen werden. Vielmehr handelt es sich - wie der XI. Zivilsenat bereits im Jahre 2001 (BGHZ 146, 377) für Klauseln, die ein Entgelt für die Benachrichtigung über die Nichteinlösung einer Einzugsermächtigungslastschrift vorsehen, entschieden hatte - um eine nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle unterliegende Preisnebenabrede. Da die Nichteinlösung einer Lastschrift für den Kunden einschneidende Folgen haben kann, ist das Kreditinstitut aufgrund seiner girovertraglichen Schutz- und Treuepflicht (§ 242 BGB**) bzw. der auftragsrechtlichen Informationspflicht (§ 675 Abs. 1***, § 666 BGB****) zur Unterrichtung des Kunden verpflichtet.

Hieran hat sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durch das am 31. Oktober 2009 in Kraft getretene neue Zahlungsdiensterecht, mit dem die EU-Zahlungsdiensterichtlinie vom 13. November 2007 in deutsches Recht umgesetzt wurde, nichts geändert. Zwar ist der Zahlungsdienstleister (Kreditinstitut) nunmehr gemäß § 675o Abs. 1 Satz 1 BGB***** ausdrücklich zur Unterrichtung des Zahlungsdienstnutzers (Kunde) verpflichtet, wenn er die Ausführung eines Zahlungsauftrags ablehnt. Nach § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB, einer Ausnahmeregelung zum Grundsatz des § 675f  Abs. 4 Satz 2 BGB******, kann er zudem für die Unterrichtung über eine berechtigte Ablehnung mit dem Kunden ein Entgelt vereinbaren. Bei der Einzugsermächtigungslastschrift in ihrer derzeitigen Ausgestaltung durch die Sonderbedingungen der Banken und Sparkassen fehlt es jedoch - im Unterschied zu den bereits vorab vom Kunden autorisierten SEPA-Lastschriften sowie der Abbuchungsauftragslastschrift - an einem vorherigen Zahlungsauftrag des Bankkunden im Sinne von § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB; vielmehr bedarf es hier stets einer nachträglichen Genehmigung durch den Kunden.

Der aus der girovertraglichen Schutz- und Treuepflicht (§ 242 BGB) bzw. der auftragsrechtlichen Informationspflicht (§ 675 Abs. 1, § 666 BGB) hergeleiteten Benachrichtigungspflicht des Kreditinstituts steht die von Art. 86 Abs. 1 der Zahlungsdiensterichtlinie geforderte Vollharmonisierung des nationalen Rechts mit dem EU-Recht nicht entgegen. Das Gebot der Vollharmonisierung gilt nicht für Sachverhalte, die von der Richtlinie nicht geregelt werden. So aber verhält es sich in Bezug auf die hier betroffene Benachrichtigungsfrage bei der Einzugsermächtigungslastschrift. Zwar ist das Einzugsermächtigungsverfahren ein Lastschriftverfahren im Sinne von Art. 4 Nr. 28 der Richtlinie und ein Zahlungsdienst im Sinne von Art. 4 Nr. 3 der Richtlinie. Diese regelt jedoch nicht die Benachrichtigungspflicht des Kreditinstituts bei Nichteinlösung einer Einzugsermächtigungslastschrift, sondern lediglich die Informationspflichten im Falle der Ablehnung eines Zahlungsauftrags des Bankkunden, an dem es jedoch bei der Einzugsermächtigungslastschrift gerade fehlt.

Der hiernach eröffneten Inhaltskontrolle hält die angegriffene Entgeltklausel nicht stand. Sie sieht ein Entgelt für eine Tätigkeit vor, zu der die beklagte Sparkasse aufgrund der girovertraglichen Schutz- und Treuepflicht (§ 242 BGB) bzw. der auftragsrechtlichen Informationspflicht (§ 675 Abs. 1, § 666 BGB) verpflichtet ist. § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB, wonach der Zahlungsdienstleister mit dem Zahlungsdienstnutzer für die Unterrichtung über eine berechtigte Ablehnung ein Entgelt vereinbaren darf, ist mangels des erforderlichen Zahlungsauftrags des Kunden auf das Einzugsermächtigungslastschriftverfahren weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.

Auf die zwischen den Parteien des Weiteren streitige Frage, ob die angegriffene Klausel auch gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) verstößt, kommt es danach nicht an.

Die heutige Entscheidung betrifft nur das Einzugsermächtigungsverfahren in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung. Sobald die Kreditwirtschaft - der Anregung im Urteil des XI. Zivilsenats vom 20. Juli 2010 (BGHZ 186, 269) folgend - durch Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Einzugsermächtigungsverfahren ebenfalls auf eine Vorab-Autorisierung durch den Bankkunden umgestellt haben wird, kann auch für die Benachrichtigung über die berechtigte Nichteinlösung einer Einzugsermächtigungslastschrift nach § 675o Abs. 1 Satz 4 BGB ein angemessenes Entgelt vereinbart werden. Die insoweit geänderten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditwirtschaft sollen nach derzeitigem Sachstand am 9. Juli 2012 in Kraft treten.

Urteil vom 22. Mai 2012 - XI ZR 290/11

LG Leipzig - Urteil vom 6. Dezember 2010 - 8 O 1140/10

OLG Dresden - Urteil vom 26. Mai 2011 - 8 U 1989/10

Karlsruhe, den 22. Mai 2012

* § 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.

mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2.

wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 242 BGB

Leistung nach Treu und Glauben

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

*** § 675 BGB (Auszug)

Entgeltliche Geschäftsbesorgung

(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden…die Vorschriften der §§…665 bis 670…entsprechende Anwendung.

(2) …

**** § 666 BGB

Auskunfts- und Rechenschaftspflicht

Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen.

*****§ 675o BGB (Auszug)

Ablehnung von Zahlungsaufträgen

(1) Lehnt der Zahlungsdienstleister die Ausführung eines Zahlungsauftrags ab, ist er verpflichtet, den Zahlungsdienstnutzer hierüber unverzüglich, auf jeden Fall aber innerhalb der Fristen gemäß § 675s Abs. 1 zu unterrichten. In der Unterrichtung sind, soweit möglich, die Gründe für die Ablehnung sowie die Möglichkeiten anzugeben, wie Fehler, die zur Ablehnung geführt haben, berichtigt werden können. Die Angabe von Gründen darf unterbleiben, soweit sie gegen sonstige Rechtsvorschriften verstoßen würde. Der Zahlungsdienstleister darf mit dem Zahlungsdienstnutzer im Zahlungsdiensterahmenvertrag für die Unterrichtung über eine berechtigte Ablehnung ein Entgelt vereinbaren.

(2)…

(3)…

****** § 675f BGB (Auszug)

Zahlungsdienstevertrag

(1) …

(2)…

(3) Zahlungsvorgang ist jede Bereitstellung, Übermittlung oder Abhebung eines Geldbetrags, unabhängig von der zugrunde liegenden Rechtsbeziehung zwischen Zahler und Zahlungsempfänger. Zahlungsauftrag ist jeder Auftrag, den ein Zahler seinem Zahlungsdienstleister zur Ausführung eines Zahlungsvorgangs entweder unmittelbar oder mittelbar über den Zahlungsempfänger erteilt.

(4) Der Zahlungsdienstnutzer ist verpflichtet, dem Zahlungsdienstleister das für die Erbringung eines Zahlungsdienstes vereinbarte Entgelt zu entrichten. Für die Erfüllung von Nebenpflichten nach diesem Untertitel hat der Zahlungsdienstleister nur dann einen Anspruch auf ein Entgelt, sofern dies zugelassen und zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart worden ist; dieses Entgelt muss angemessen und an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein.

(5) …  


(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 22.05.2012) 

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21.05.2012

Begründung muss sein!

Diese für Gerichte in Haftsachen als bekannt vorauszusetzende Weisheit musste jetzt das Landgericht Magdeburg leider wieder einem Amtsrichter verdeutlichen.

Mein Mandant befand sich in Untersuchungshaft und wurde durch das Amtgericht zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Gemäß § 268b StPO muss das Gericht bei Verurteilung auch eine Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft fällen. Dies tat der Richter mit den dürren Worten "Der Haftbefehl vom ... bleibt aufrechterhalten." Sonst nichts.

Als Verteidiger legte ich gegen das Urteil Rechtsmittel und gegen die Entscheidung über die Haftfortdauer Beschwerde ein. Das Amtsgericht war sich keiner Schuld bewußt und half der Beschwerde nicht ab, der Angeklagte sei ja schließlich zu einer Haftstrafe verurteilt worden.

Das Landgericht hat dem Richter nun mit vielen Worten leicht verständlich erklärt, wie eine ordentliche Begründung auszusehen hat und den Haftbefehl aufgehoben.

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15.05.2012

Bundesgerichtshof verneint Recht zur Anpassung der Betriebskostenvorauszahlungen bei inhaltlichen Fehlern der Betriebskostenabrechnung

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 15.05.2012:

Der Bundesgerichtshof hat heute zwei Entscheidungen zu der Frage getroffen, ob der Vermieter zur Erhöhung von Betriebskostenvorauszahlungen auch dann berechtigt ist, wenn die zugrunde gelegte Abrechnung inhaltliche Fehler aufweist.

In den beiden Verfahren verlangt der Kläger als Vermieter die Räumung und Herausgabe der von den beklagten Mietern innegehaltenen Wohnungen. Der Kläger erhöhte in beiden Fällen mit der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2004 die Betriebskostenvorauszahlungen und passte diese auch in den Folgejahren dem jeweiligen Abrechnungsergebnis an. Die Abrechnungen des Klägers wiesen inhaltliche Fehler auf, welche die Beklagten beanstandet hatten und bei deren Korrektur ein Saldo zum Nachteil der Beklagten nicht verblieb. Im Verfahren VIII ZR 245/10 zahlten die Beklagten seit dem Jahre 2006 nur einen Teil der von dem Kläger geforderten Erhöhungsbeträge der Betriebskostenvorauszahlungen. Im Verfahren VIII ZR 246/10 zahlte der Beklagte die Erhöhungsbeträge insgesamt nicht. Der Kläger kündigte beide Mietverhältnisse wegen eines auf die ausstehenden Betriebskostenvorauszahlungen gestützten Zahlungsrückstandes fristlos, hilfsweise fristgemäß. Die Räumungsklagen des Vermieters sind in den Vorinstanzen abgewiesen worden.

Die dagegen gerichtete Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Vermieter nach einer Nebenkostenabrechnung zur Anpassung von Vorauszahlungen gemäß § 560 Abs. 4 BGB* nur insoweit berechtigt ist, als sie auf einer inhaltlich korrekten Abrechnung beruht.

Zwar hat der Senat bislang die Ansicht vertreten, für eine Anpassung der Vorauszahlungen genüge eine formell ordnungsgemäße Abrechnung, damit ohne aufwendige Streitigkeiten über die Richtigkeit der Abrechnung alsbald Klarheit über die Höhe der Vorauszahlungen erzielt werden könne. Hieran hält der Senat aber nicht fest. Denn bei dieser Sichtweise wird der mit der Anpassung der Vorauszahlungen verfolgte Zweck, die Vorauszahlungen möglichst realistisch nach dem voraussichtlichen Abrechnungsergebnis für die nächste Abrechnungsperiode zu bemessen, nicht hinreichend berücksichtigt. Vielmehr würde eine solche Verfahrensweise dem Vermieter die Möglichkeit eröffnen, aufgrund einer fehlerhaften Abrechnung Vorauszahlungen in einer Höhe zu erheben, die ihm bei korrekter Abrechnung nicht zustünden.

Hinzu kommt, dass der Vermieter zur Erteilung einer korrekten Abrechnung verpflichtet ist und es nicht hingenommen werden kann, dass eine Vertragspartei aus der Verletzung eigener Vertragspflichten Vorteile zieht. Diese könnten in Fällen wie den vorliegenden, in denen sich aus den Erhöhungen der Vorauszahlungen ein Mietrückstand in kündigungsrelevanter Höhe aufbaut, sogar darin liegen, dass der Vermieter das Mietverhältnis wegen Mietrückständen beenden könnte, die alleine darauf beruhten, dass er pflichtwidrig eine fehlerhafte Abrechnung erteilt hatte, die den Mieter unberechtigt mit zu hohen Betriebskosten belastete.

* § 560 Veränderungen von Betriebskosten



(4) Sind Betriebskostenvorauszahlungen vereinbart worden, so kann jede Vertragspartei nach einer Abrechnung durch Erklärung in Textform eine Anpassung auf eine angemessene Höhe vornehmen.

Urteil vom 15. Mai 2012 - VIII ZR 245/11

AG Hoyerswerda - Urteil vom 21. Oktober 2010 - 1 C 73/10;

LG Bautzen -Urteil vom 22. Juli 2011 – 1 S 126/10;

und

Urteil vom 15. Mai 2012 - VIII ZR 246/11

AG Hoyerswerda - Urteil vom 15. Juli 2010 - 1 C 144/10

LG Bautzen - Urteil vom 22. Juli 2011 – 1 S 95/10 



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09.05.2012

Werbung kann teuer werden

Diese bittere Erfahrung mußte jetzt ein Unternehmen machen, das meiner Mandantin unerwünschte Werbung geschickt hat. Im vergangenen Jahr kam bereits ein Werbeschreiben. Meine Mandantin teilte der Gegenseite daraufhin schriftlich mit, dass weitere Werbung unerwünscht ist.

 Das interessierte die Firma offenbar nicht, denn im April kam ein weiteres Werbeschreiben. Im Auftrag meiner Mandantin forderte ich die Gegenseite nun zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Diese wurde auch ohne Zögern und ohne weitere Diskussion abgegeben. Die Kosten meiner Beauftragung haben sie auch zu erstatten.

Wenn jetzt noch mal ein Werbeschreiben von dem Laden kommen sollte, wird eine Vertrgasstrafe von 5.001,00 EUR fällig. Meine Mandantin schaut nun häufiger in den Briefkasten.

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08.05.2012

Bundesgerichtshof erklärt die Auslagenersatzklausel in Nr. 18 der AGB-Sparkassen sowie in Nr. 12 Abs. 6 der AGB-Banken für unwirksam

Der Bundesgerichtshof hatte eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken zu kontrollieren und hat diese für unwirksam erklärt.

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 08.05.2012:

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf zwei Verbandsklagen eines Verbraucherschutzvereins gegen eine Sparkasse sowie gegen eine Bank entschieden, dass die nachfolgende, den - inhaltlich  gleichlautenden - Bestimmungen in Nr. 18 AGB-Sparkassen und in Nr. 12 Abs. 6 AGB-Banken entsprechende Klausel im Bankverkehr mit Privatkunden (Verbrauchern) nicht verwendet werden darf, weil sie diese unangemessen benachteiligt und deswegen nach § 307 BGB* unwirksam ist:

"Auslagen

Die [Sparkasse/Bank] ist berechtigt, dem Kunden Auslagen in Rechnung zu stellen, die anfallen, wenn die [Sparkasse/Bank] in seinem Auftrag oder seinem mutmaßlichen Interesse tätig wird (insbesondere für Ferngespräche, Porti) oder wenn Sicherheiten bestellt, verwaltet, freigegeben oder verwertet werden (insbesondere Notarkosten, Lagergelder, Kosten der Bewachung von Sicherungsgut)."

Die Instanzgerichte haben der Unterlassungsklage jeweils stattgegeben. Die Revisionen der beklagten Sparkasse und der beklagten Bank hat der XI. Zivilsenat zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Der erste Regelungsabschnitt der streitigen Klausel ("Die [Sparkasse/Bank] ist berechtigt, dem Kunden Auslagen in Rechnung zu stellen, die anfallen, wenn die [Sparkasse/Bank] in seinem Auftrag oder seinem mutmaßlichen Interesse tätig wird (insbesondere für Ferngespräche, Porti")) enthalte keine Preisabrede für eine entgeltliche Dienstleistung der Sparkasse bzw. Bank. Vielmehr gehe es um Auslagenersatz für Tätigkeiten des Geldinstituts im Rahmen eines Auftrags (§§ 662 ff. BGB) oder einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 BGB). Nach der - auch im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag geltenden - Vorschrift des § 670 BGB** könne der Beauftragte jedoch nur solche Aufwendungen ersetzt verlangen, die er den Umständen nach für erforderlich halten dürfe. Diese Einschränkung sehe die streitige Klausel nicht vor. Sie könne ihr auch nicht im Wege der Auslegung, die am Verständnishorizont eines rechtsunkundigen durchschnittlichen Verbrauchers auszurichten sei, entnommen werden. Insbesondere ergebe sie sich nicht allein aus dem Begriff der "Auslagen", der auch umgangssprachlich weitgehend mit demjenigen der "Aufwendungen" gleichgesetzt werde. Die bloße Anknüpfung an einen "Auftrag" des Kunden oder an dessen "mutmaßliches Interesse" helfe insoweit ebenfalls nicht weiter, da sich hieraus nichts für die Frage der Erforderlichkeit konkret angefallener Kosten ergebe. Der hiernach eröffneten Inhaltskontrolle halte die Klausel mit ihrem ersten Regelungsabschnitt nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand, weil der Sparkasse bzw. Bank danach ein über die gesetzlichen Schranken des § 670 BGB hinausgehender Aufwendungsersatzanspruch gegen ihre Kunden zustehe.

Der zweite Regelungsabschnitt der streitigen Klausel ("oder wenn Sicherheiten bestellt, verwaltet, freigegeben oder verwertet werden (insbesondere Notarkosten, Lagergelder, Kosten der Bewachung von Sicherungsgut")) unterliege ebenfalls der Inhaltskontrolle. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seien gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB solche Klauseln kontrollfähig, durch die allgemeine Betriebskosten, Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten oder für Tätigkeiten im eigenen Interesse auf den Kunden abgewälzt werde. Das treffe auf den zweiten Regelungsabschnitt der angegriffenen Bestimmung zu. Die gesetzliche Einschränkung, dass Aufwendungsersatz nur zum Zwecke der Ausführung des Auftrags (§ 670 BGB) bzw. nur dann verlangt werden könne, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspreche, komme darin nicht zum Ausdruck. Sie lasse sich in diesem Zusammenhang der Klausel gleichfalls nicht im Wege der Auslegung - insbesondere auch hier nicht allein anhand des Auslagenbegriffs - entnehmen. Zudem lägen die angeführten Tätigkeiten des Bestellens, Verwaltens und Verwertens von Sicherheiten allein im Interesse der Sparkasse bzw. Bank. Die Freigabe von Sicherheiten, mit der das Kreditinstitut regelmäßig nur einer eigenen Verpflichtung nachkomme, sei lediglich die Kehrseite ihrer Bestellung. Der danach eröffneten Inhaltskontrolle halte auch der zweite Regelungsabschnitt der streitigen Klausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand, weil der Sparkasse bzw. Bank danach ein - zudem uneingeschränkter - Aufwendungsersatzanspruch für in ihrem eigenen Interesse liegende Tätigkeiten zustehe.

Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 61/11

OLG Nürnberg - Urteil vom 25. Januar 2011 - 3 U 1606/10

LG Nürnberg-Fürth - Urteil vom 3. August 2010 - 7 O 466/10

und

Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 437/11

OLG Bamberg - Urteil vom 28. September 2011 - 3 U 80/11

LG Bamberg - Urteil vom 19. April 2011 - 1 O 46/10

Karlsruhe, den 8. Mai 2012

* § 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 670 BGB

Ersatz von Aufwendungen

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.  




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03.05.2012

"Gott sei Dank nicht!"

Bei einer Verhandlung warteten wir auf den Rechtsanwalt, der die Gegenseite vertritt. Der Richter schaute zur Terminsstunde vor die Saaltür. Dort standen wohl einige Leute, die ich von meinem Platz nicht sehen konnte. Sie fragten den Richter, ob sie ihm weiterhelfen könnten.

"Von ihnen sieht keiner so aus, als sei er Rechtsanwalt XY" war die Feststellung des Richters.

"Nein, Gott sei Dank nicht!" kam die prompte Reaktion.

Ich konnte mir an der Stelle ein leises Lachen nicht verkneifen und der Richter wollte die Reaktion ausdrücklich unkommentiert lassen...

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02.05.2012

Betrugsversuche am laufenden Band

Derzeit laufen die Postfächer wieder über. Mal wird einem freudig erregt mitgeteilt, dass man ja nun auch 300 SMS verschicken könnte:

Sie haben sich für unseren E-Mail Upgrade eingetragen und wir sind stolz drauf Sie als unseren frischen Member zu sehen
Sie dürfen jetzt bis zu 300 Kurzmitteilungen pro Monat gebührenfrei verschicken und Ihr Speicherplatz erweitert sich um 10 Gigabyte.
158,79 Euro für Mitgliedsbeitrag werden Ihnen pro 12 Monate im Voraus von Ihrem Bankkonto abgebucht. 
 
Herr ... Entziehen Sie die Zahlungsdetails bitte dem Anhang, dort finden Sie auch das Schreiben für Ihre 2 Wochen Kündigungsfrist.  

Dann soll man irgendwo einen Computer bestellt haben:

vielen Dank für Ihre Bestellung bei (XXX).de, nachfolgend finden Sie Ihre Bestellbestätigung.

Ihre Bestellnummer 41190863781 
Artikel: Apple 7156542738   655,45 Euro
Rechnungsname: Herr 
Zahlungsmethode: Visa 

Versandadresse und detaillierte Vertragseinzeilheiten finden Sie im Anhang.  

Die Zahlung wurde autorisiert und wird innerhalb 2 Tage abgebucht. 
Kaufeinzelheiten und Widerruf Mitteilung finden Sie im Anhang.

Allen gemein ist ein zip-Anhang, den man natürlich NICHT öffnen sollte. Wer weiß denn schon, welcher Blödsinn sich darin verbirgt...
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01.05.2012

Tag der Arbeit

Der Mai beginnt für mich dort, wo der April geendet hat: im Büro. Nachher kommen zwei Mandanten zur Besprechung. Ebenfalls Freiberufler, die den Tag der Arbeit entsprechend nutzen.

Ein Gruß an alle, die heute ebenfalls arbeiten dürfen/müssen!

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